Dicht ist relativ: Die zulässige Gebäudeluftwechselrate definiert die maximal für die Energiebilanz einer Gebäudebauart noch tolerierbaren Lüftungsverluste über Ritzen und Fugen der Gebäudehülle. Absolut Dicht ist somit nicht Pflicht, allerdings stellen Ritzen und Fugen in der Gebäudehülle Schwachstellen und Risiken dar und sollten für eine schadensfreie Gebäudenutzung weitgehend vermieden werden.

Wie definieren sich Lüftungsverluste überhaupt?

Lüftungsverluste sind Teil der Energiebilanz eines Gebäudes und können je nach Lüftungsverfahren bis zu 50% Anteil an den Gesamtenergieverlusten ausmachen. Die verbleibenden Energieverluste werden durch den Baukörper selbst und Anlagenverluste verursacht. Stellt man die Kosten für Dämmung und Anlagentechnik dem prozentualen Anteil der Lüftungsverluste gegenüber, wird schnell klar, dass eine Kompensation nicht vermiedener Lüftungsverluste durch (noch) mehr Dämmung oder bessere Anlagentechnik ziemlich ins Geld gehen kann.
Lüftungsverluste lassen sich aber leider auch nicht ganz vermeiden. Sie bestehen einerseits aus dem gewählten Lüftungsverfahren (ungeregelte Fensterlüftung kann hier etwa durch mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung optimiert werden) und anderseits aus Infiltrationslüftungsverlusten über teils gewerkespezifisch zulässige, meist aber ungewollte Ritzen und Fugen in der Gebäudehülle. Bleiben Ritzen und Fugen unbeachtet, drohen neben reinen Energieverlusten und Behaglichkeitseinbußen Risiken wie Tauwasserausfall in konstruierten Bauteilen bis hin zu Schimmelgefahr.

Wer oder was gibt den Grenzwert vor?

Der zulässige Grenzwert richtet sich nach dem angestrebten energetischen Niveau, der Größe und der Nutzungsart eines Gebäudes, dem gewählten Lüftungsverfahren sowie ggf. ergänzende Qualitätsanforderungen der Bauherrschaft. Der Aufsteller der Gebäudeenergiebilanz definiert auf dieser Basis den zulässigen Grenzwert in Abstimmung mit der Bauherrschaft und anhand normativer oder förderrechtlicher Vorgaben. Wird ein besserer Grenzwert als maximal zulässig herangezogen, ist dessen Unterschreitung mit Hilfe einer Luftwechselratenmessung im Blower-Doorverfahren nachzuweisen.

Grenzwerte

Bei 50 Pascal Druckdifferenz gelten für Gebäude bis 1.500 m³ Luftvolumen folgende normativen Grenzwerte bezogen auf das absichtlich beheizte Raumvolumen (in Fettschrift die üblichen Grenzwerte):

  • 10 facher Luftwechsel für nicht sanierte Gebäude mit offensichtlichen Undichtigkeiten nach DIN V 18599
  • 6 facher Luftwechsel für teilsanierte Gebäude nach DIN V 18599
  • 4,5 facher Luftwechsel für Bestandsgebäude nach DIN 1946-6 Kapitel 4.1
  • 4 facher Luftwechsel für Gebäude die nicht gemessen wurden nach DIN V 18599
  • 3 facher Luftwechsel für neue und effizient sanierte Gebäude mit Fensterlüftung nach DIN 4108-6
  • 2 facher Luftwechsel für neue Gebäude nach DIN V 18599 mit Fensterlüftung
    und Gebäude im Bestand mit Lüftungsanlage nach progres.NRW
  • 1,5 facher Luftwechsel für Gebäude nach DIN 4108-6 mit Lüftungsanlage
  • 1 facher Luftwechsel für Gebäude nach DIN V 18599 mit Lüftungsanlage
  • <<0,6 facher Luftwechsel für Passivhäuser
  • fast 0 facher Luftwechsel für Sonderräume wie Reinräume, Serverräume

Für Gebäude über 1.500 m³ Luftvolumen gelten folgende normative Grenzwerte. Hier wird sich auf die Gebäudehüllfläche bezogen, sofern keine weiterführenden Anforderungen vertraglich vereinbart wurden:

  • 15 facher Luftwechsel für nicht sanierte Gebäude mit offensichtlichen Undichtigkeiten nach DIN V 18599
  • 9 facher Luftwechsel für teilsanierte Gebäude nach DIN V 18599
  • 6 facher Luftwechsel für Gebäude die nicht gemessen wurden nach DIN V 18599
  • 4,5 facher Luftwechsel für neue und effizient sanierte Gebäude mit Fensterlüftung nach DIN 4108-6
  • 3 facher Luftwechsel für neue Gebäude nach DIN V 18599 mit Fensterlüftung
  • 2,5 facher Luftwechsel für Gebäude nach DIN 4108-6 mit Lüftungsanlage
  • 2 facher Luftwechsel für Gebäude nach DIN V 18599 mit Lüftungsanlage
  • fast 0 facher Luftwechsel für Sonderräume Kühlhäuser, größere Rein- und Serverräume

Die Dichtigkeitsanforderungen ergeben sich aus dem Bauzustand (Neubau/Bestand), der zugrundeliegenden Bilanzierungsnorm (DIN 4108/DIN V 18599), dem Lüftungsverfahren (Fenster/Anlagenlüftung) und ggf. vertraglicher Sondervereinbarungen, etwa im Rahmen von Förderprogrammen oder besonderen Effizienzanforderungen (Niedrigenergie-, Passivhaus).

Was passiert, wenn der Grenzwert nicht eingehalten wird?

Normen und rechtliche Anforderungen vereinfachen gerne wo möglich. Im Baurecht geht es daher beim Thema Luftwechselrate um eine pauschale Unterscheidung nach „Grenzwert unterschritten“ oder „nicht unterschritten“.
Wird der angesetzte Grenzwert nicht unterschritten, sind zum Erhalt des energetischen Konzepts Kompensationsmaßnahmen in Form zusätzlicher Dämmmaßnahmen oder Investitionen in weitere Anlagentechnik erforderlich um den förderrechtlichen und gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Besonders ärgerlich wird es allerdings, wenn hohe Fördersummen im Spiel sind und notgedrungen teuer umfinanziert werden muss.

Vorschau

Die Bilanzierungsnorm DIN 4108 wird in Kürze mit der Novellierung der EnEV zum GEG durch die DIN V 18599 ersetzt. Hierdurch ergeben sich höhere Anforderungen an die zulässigen Luftwechselraten.

  • Gebäude bis 1.500 m³:
    • ohne Lüftungstechnik: n50 bislang ≤3,0 h-1, zukünftig ≤2,0 h-1 (Verschärfung um 33 %)
    • mit Lüftungstechnik: n50 bislang ≤1,5 h-1, zukünftig ≤1,0 h-1 (Verschärfung um 50 %)
  • Gebäude über 1.500 m³:
    • ohne Lüftungstechnik: q50 bislang ≤4,5 h-1, zukünftig ≤3,0 h-1 (Verschärfung um 33 %)
    • mit Lüftungstechnik: q50 bislang ≤2,5 h-1, zukünftig ≤2,0 h-1 (Verschärfung um 20 %)

Die Ausführung der Luftdichtebene sollte dementsprechend sorgfältig geplant (Luftdichtheitskonzept) und ausgeführt werden.

Quellen:
EnEV 2016
DIN 4108-6
DIN 1946-6
DIN V 18599-2
KfW – technisches FAQ
Förderrichtlinie progres.NRW
DIN EN 13829
DIN EN ISO 9972