Lüftungskonzept

Lüften in Gebäuden erfolgt zum Schutz der Gebäudesubstanz vor Feuchteeinbringungen von der Raumseite her durch die Nutzer und zur Bewahrung der Raumhygiene (Feuchte, Schadstoffe und CO2-Abfuhr). Täglich werden pro Person rund 2 bis 2,5 Liter Wasser durch Schwitzen, Athmen, Duschen, Kochen, Wäschewaschen, Blumengießen, etc. in ein Gebäude eingetragen. Die Luft als universelles Transportmedium für Wärme, Feuchte und Schadstoffe kann von dieser Feuchtemenge nur einen geringen Teil über längere Zeit tragen. Lüftungsvorgänge sollten daher unmittelbar nach einer Feuchteeinbringung erfolgen.

Ansonsten puffern Bauteilbereiche mit geringerer Temperatur als die Raumlufttemperatur den Hauptanteil der eingetragenen Wassermenge bis zum nächsten Lüftungsvorgang zwischen. Werden die einzelnen Lüftungsvorgänge jedoch zeitlich zu sehr gestreckt oder sind sie je nach Feuchtelast nicht ausreichend intensiv, dann entstehen bereits nach kurzer Zeit Feuchteprobleme.

Rechtlich

Die Raumhygiene stellt eine der vier Säulen zur sachmängelfreien Beschaffenheit eines Gebäudes dar:

vier Säulen der Schadensfreiheit

Rein rechtlich ist ein Gebäude dann frei von Sachmängeln, wenn diese Punkte auch ohne besondere Vereinbarung die zugrunde gelegten Beschaffenheiten im ausreichenden Maße erfüllen. Ist die zum Erhalt der Raumhygiene gewählte Lüftungsmaßnahme laut der Beschaffenheitsvereinbarung zum Mindestluftwechsel allerdings nicht ausreichend, liegt ein Werkmangel vor, für den die Ausführenden einzustehen haben.

Sofern keine besondere Vereinbarung über den einzuhaltenden Mindestluftwechsel ohne kontrollierte Lüftungstechnik (Fensterlüftung) nach den technischen Regelwerken vereinbart wurde und der Nutzer den Mindestluftwechsel nur durch zusätzliche Lüftungsmaßnahmen erreichen kann, besteht bei der heute aufgrund des einzuhaltenden Wärmeschutzes und der damit verbundenen erforderlichen Gebäudedichtheit ein erhöhtes Haftungsrisiko. Diesem Haftungsanspruch können sich die Ausführenden dadurch entziehen, indem sie mit dem Nutzer eine Beschreibung der notwendigen Lüftungsmaßnahmen vertraglich vereinbaren.

Insgesamt bewegt sich die Baubranche im Bereich der Lüftungsmaßnahmen derzeit noch oft in einer rechtlichen Grauzone. Der Raumhygiene wurde in Wohngebäuden bislang, sofern überhaupt, meist nur am Rande einer Neubau- oder Sanierungsplanung Beachtung geschenkt und selten berechnet.

Fazit: Sofern keine weiterführenden Vereinbarungen getroffen wurden, greifen gesetzliche und normative Randbedinungen zur Definition der mindestens zu erreichenden Baubeschaffenheit. Bleiben reale Randbedingungen bei der Auslegung einer Lüftungsmaßnahme unberücksichtigt, führt dies nicht selten zu Störungen der Raumhygiene. Ein nicht vorhandenes Lüftungskonzept stellt daher einen Sachmangel dar.

Normativ

Im Fall der Raumhygiene stellt die EnEV die Anforderungen an den Mindestluftwechsel sowie den höchst zulässigen Luftwechsel über Ritzen und Fugen für Neubauten und Bestandsgebäude bei Sanierung. Daran angebunden sind die DIN V 18599, die DIN 1946, die DIN 18017 sowie die ISO 6022 als jeweiliges Regelwerk zur Umsetzung der EnEV-Anforderung in Wohn- und Nichtwohngebäuden.

Zur Sicherstellung des Mindestluftwechsels ist die Erstellung eines Lüftungskonzepts mit der heute üblicherweise dichten Bauweise erforderlich geworden. Seit 2009 regelt die DIN 1946 Teil 6 die allgemeinen Anforderungen an den Mindestluftwechsel. Sie nennt konzeptionell auch die entsprechende Maßnahme zur Sicherstellung des Mindestluftwechsels

  • anhand der Gebäudelage und
  • der vorherrschenden Windverhältnisse,
  • des Gebäudetypus,
  • der Art des Wärmeschutzes,
  • der Dichtigkeit der Gebäudehülle (nach Kategorie oder anhand eines Blower-Doortests),
  • bestehender bzw. unbedingt erforderlicher Lüftungsmaßnahmen (vorhandene Schächte und Ventilatoren, für Feuerstätten),
  • und besonders der angedachten Nutzung.

Wann muss ein Lüftungskonzept her?

Für Neubauten ist die Erstellung eines Lüftungskonzepts somit im Rahmen der bauamtlichen Nachweisführung generell

Lueftungskonzept

Pflicht.

Für Bestandsgebäude muss ein Lüftungskonzept dann erstellt werden, wenn mehr als 1/3 der Fensterflächen oder/und mehr als 1/3 der Dachflächen energetisch ertüchtigt werden oder die Fensterlüftung und Infiltrationsverluste für die Sicherstellung des Mindestluftwechsels nicht ausreichen.

Auch veränderte Schallschutzanforderungen (z.B. steigender Verkehrslärm), steigende Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz (Klimaveränderung) oder die Veränderung des bisher zugrunde gelegten Nutzungsverhaltens (dazu kann auch der Austausch des Heizkessels – Stichwort Nachtabsenkung – gezählt werden) können die Erstellung eines angepassten Lüftungskonzepts und entsprechender lufttechnischer Maßnahmen sinnvoll werden lassen.

Welche Informationen liefert ein Lüftungskonzept?

Hygieniker empfehlen zur Feuchte- und Schadstoffabfuhr bis zu 8 Querlüftungsvorgänge pro Tag (auch in der Nacht), rechtlich werden mindestens 3 Querlüftungsvorgänge (leider ungeachtet des Lüftungsergebnis) als zumutbar betrachtet. Zur Auflösung des Spannungsfeldes zwischen gesundheitlich und bauphysikalisch sinnvollen und den organisatorisch und rechtlich zumutbaren Lüftungsvorgängen wurde die DIN 1946-6 im Jahr 2009 überarbeitet und die Erstellung von Lüftungskonzepten damit verbindlich.

Ein Lüftungskonzept liefert Erkenntnisse zu folgenden Punkten (Lüftungsstufen):

  • Lüftung zum Feuchteschutz (LF)
    Sind die Infiltrationsverluste der Gebäudehülle zur Entfeuchtung bei der angedachten Nutzung ausreichend, oder müssen zusätzliche Maßnahmen getroffen werden?
    Diese Lüftungsstufe dient zur sicheren Feuchteabfuhr unter üblichen Nutzungsbedingunen und muss nutzerunabhängig ständig sicher gestellt werden können (siehe auch EnEV §3+4).
  • Reduzierte Lüftung (RL)
    Sind die Infiltrationsverluste der Gebäudehülle neben der Entfeuchtung auch zur Schadstoffabfuhr ausreichen, oder müssen zusätliche Maßnahmen getroffen werden?
    Diese Lüftungsstufe dient der Raumhygiene und dem Schutz des Baukörpers. Sie muss soweit möglich nutzerunabhängig gewährleistet sein.
  • Nennlüftung (NL)
    Wie müssen die Lüftungsvorgänge bei typischer Nutzung zum Schutz der Gesundheit und des Baukörpers erfolgen?
    Diese Lüftungsstufe stellt den Regelzustand bei Anwesenheit und normaler Gebäudenutzung dar. Der Nutzer kann hier auch zur aktiven Fensteröffung Zwecks Lüftung einbezogen werden.
  • Intensivlüftung (IL)
    Wie stark muss bei intensiver Nutzung der Räume gelüftet werden?
    Dies ist vorrangig von der Intensität, Häufigkeit und Dauer abhängig. Hierunter fallen feuchteintensive Tätigkeiten wie Waschen, Trocknen im Gebäude, Kochen, Baden/Duschen, Blumen gießen, etc. Der Nutzer kann hier zur aktiven Fensteröffnung Zwecks Feuchteabfuhr einbezogen werden.

Die einzelnen Lüftungsstufen ergebenden, betrachtet nach Nutzungseinheiten oder Raumtypen, die erforderlichen Zuluft- und Abluftvolumenströme. Auf dieser Basis können Lüftungsmaßnahmen unter Berücksichtigung ggf. weiterer Verschärfungsanforderungen ausgesprochen werden, die im jeweils ungünstigsten Fall immer noch sicher zu einem ausreichenden Lüftungsergebnis führen.

Verschärfte Anforderungen können etwa

  • erhöhte Energieeffizienzanforderungen
  • erhöhte Hygieneanforderungen
  • erhöhte Schallschutzanforderungen
  • Vermeidung von Staub- und Geruchsübertragung
  • Einbruchschutz
  • verdeckte, windgeschützte Objektlage (umgebende Gebäude, Bewuchs, etc.)

sein.

Fazit:

Die Erstellung eines Lüftungskonzepts ist weit mehr als die rein rechtliche Erfüllung von Vorschriften und Normen. Mit

einer rechtzeitigen Auseinandersetzung der später angedachen Nutzung eines Gebäudes im Vorfeld ergeben sich nicht selten Einsichten, die technische Gebäudeausstattung bis hin zum Grundriss hinsichtlich der Lüftungsvorgänge zu optimieren. Die Daten eines Lüftungskonzepts lassen sich zudem im Rahmen einer räumlichen Datenerfassung, wie z.B. bei einer neutralen Energieberatung ebenfalls zur Ausschreibung von Lüftungskomponenten verwenden.

Preise:

Die Preisgestaltung richtet sich nach dem zu führenden Aufwand und der Anzahl der Wohneinheiten.

Als Richtwert können für eine einfache Berechnung 180 Euro je Wohneinheit und für einene umfassende Konzepterstellung für ein Einfamilienhaus 350 Euro veranschlagt werden (jeweils zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer).

Gerne unterbreiten wir Ihnen ein kostengünstiges Angebot.

Normative Verweise:

  • EnEV – §3+4 Anforderungen an Gebäude, jeweils insbesondere Abs. 4 sommerlicher Wärmeschutz; §6 Dichtheit, Mindestluftwechsel, Abs. 1 Begrenzung des zulässigen Luftwechsels, Abs. 2 Sicherstellung des Mindestluftwechsels
  • DIN 1946 Teil 4 – Anforderungen an die raumlufttechnische Versorgung und die hygienischen Prüfungen von hygienerelevanten Räumen
  • DIN 1946 Teil 6 – Raumlufttechnik – Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe/Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung
  • DIN 18599 Teile 1-11 – Energetische Bewertung von Gebäuden

Links:

Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen

Matthias Leber – EFFIZIENZR

Firmensitz:
Jahnstraße 2
33102 Paderborn
Tel.: 0 52 51 / 14 22 459

E-Mail: anfrage [at] effizienzr.de

Termine nach Vereinbarung.

Folgen Sie mir auf:

Bildquellen:

Die mobile Version verlassen